Homélie zum 22. Sonntag im Jahreskreis C

Heute, laut dem Evangelium nach Lukas 14,7-14, ist Jesus in einem Haus zu Gast. Er sieht wie die Eingeladenen die ersten Plätze aussuchten. Diese wenig rühmliche Haltung gibt Ihm den Anlass zu reden. Er spricht mit zwei kurzen Gleichnissen.

In einer hierarchisierten Gemeinschaft wird jedem der Platz zugeteilt, der ihm  gebührt. Sollte einer nicht den richtigen Platz einnehmen, dann erfährt er eine Situation der Schande wie hier, weil  der Gastgeber ihm einen niedrigeren Platz zuweist.

In der Tat ist es immer peinlich, eine Entehrung in der Öffentlichkeit zu erfahren. Der Vorfall und seine Formulierung lassen an alle möglichen demütigenden Lebenssituationen denken, von den banalsten zu den existentiellsten.

Der Evangelist denkt vor allem an den Platz eines jeden vor dem Blick Gottes, im Reich Gottes und in seiner kirchlichen Gemeinde.

Als Christus in die Welt kam, gab es keinen Platz für Ihn (2,7), wie das Weihnachtsevangelium erzählt. Er kam trotzdem und richtete sich unter den Armen ein. Von da aus liess er das Neue hervorgehen. Von da aus konnte sich die Erhöhung vollziehen. Ein berühmtes Lied bei Paulus beschreibt den gleichen Weg: »Er (Christus) war wie Gott, hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein »,

Es ist gut für die Menschen, sich an seiner Seite niederzulassen, unten am letzten Platz.

Für das profane wie das kirchliche Leben schlägt Lukas in der Nachfolge Jesu nicht eine zwingende Hierarchie, aber eine freiheitlich ethische Ordnung vor, die mit der Wahl gewisser Einschränkungen verbunden sein kann. Nach dieser Ordnung ist jeder Mensch in Eigenverantwortlichkeit dazu aufgefordert, sich nicht höher als die anderen einzustufen und symbolisch den letzten Platz einzunehmen oder wenigstens den richtigen Platz.

Der Gang der Demut wird sich in der Herrlichkeit, im Aufstieg erfüllen, eine umgekehrte Bewegung zu der der, welche von Grosstuerei zu Verlegenheit führt.

Man muss ohne schlechtes Gewissen sagen, dass der Gott der heiligen Schrift uns zum Glück einlädt. Er stellt sich nicht gegen das Gelingen, gegen unseren Erfolg. Er befürwortet einfach ein Glück, das nicht auf Kosten der anderen geht, und bietet einen Weg zum Glück, das durch Erniedrigung und Dienst geht. Um den Ratschlägen dieses Gottes, und den Anweisungen seines Messias zu folgen, braucht es eine gute Dosis Glauben. Ohne dies Vertrauen in die Zukunft des Gottesreichs wären Demut und die Hingabe des Selbst dumm. Dass die Mahnungen Jesu selten angewendet werden, beweist, dass es nicht leicht ist, sich für den wahren Vorteil einzusetzen. Wenn die Mahnungen Jesu angewendet werden, sind die andren nicht übergangen, Freude überflutet uns und sogar soziale Anerkennung stellt sich ein.

 In der zweiten Kurzgeschichte ist die Botschaft Jesu  ebenso klar wie schockierend. Sie bringt die sozialen Gewohnheiten durcheinander. Was ist natürlicher und legitimer, als die zu lieben, die uns lieben, die einzuladen, die uns einladen, mit den Verwandten, Freunden und Freudinnen und den Menschen der Nachbarschaft zu verkehren ?

Jesus bei Lukas weist die Gewohnheit zurück, unsere Beziehungen zu den uns nahestehenden Menschen zu den vorrangigen und privilegierten zu erklären.

Er will uns auf die Anderen hin öffnen und unseren Blick auf jeden und jede erneuern.

Er lädt uns zu wahrer Grosszügigkeit ein. Denn allein ein Fest, das einem Eingeladenen geboten wird, der keine Mittel zur Erwiderung hat, wird die Würze des Unentgeltlichen haben.

Das heutige Evangelium erinnert in aller Klarheit, dass wir uns des himmlischen Lohns berauben, wenn wir nur unsere Verwandte oder Freunde und Freundinnen einladen.

Die einzige Hoffnung wird dann die irdische Vergeltung sein: die Hoffnung, sogar die Gewissheit auf eine Gegeneinladung: « Dies wird dein Entgelt sein » sagt Jesus zum Gast der Parabel.

Auf exzessive und paradoxe Weise drückt das Evangelium eine Prioritäten-Ordnung aus: es hebt das Fest mit den Habenichtsen

und Unglücklichen über die Konventionen der familiären und sozialen Bindungen hinaus.

Von daher betrachten die Jünger und Jüngerinnen Jesu die Ausgestossenen und Randständigen als Verwandte, Freunde und Freudinnen. Sie hören auf, Angst vor ihnen zu haben und sie für eine Bedrohung zu halten. Diese Haltung wird auch ihr neues Gegenüber allmählich entkrampfen. Auf diese Weise können menschlichere Beziehungen entstehen.

Das Fest das « Du » veranstaltest, sagt Jesus:  « Du » betrifft auch die Verantwortlichen der Gemeinde. Es erinnert an die Seligpreisungen: »Wohl euch, ihr Armen… ».

Indem Gott seinen Sohn sendet sein Reich aufzurichten, d.h. die Wiederherstellung der Ordnung der Schöpfung, die Er wollte, und des Friedens, den Er in seinen Bund vorschlug. Es besagt Frieden und Glückseligkeit für die Armen, die Zeugen werden der zu erneuernden Menschheit. Die Reichen und Gesunden sind dazu aufgefordert, sich mit ihnen zu verbinden in einer anspruchsvollen Umkehr zu sich selber.

Jesus wollte als freier Mensch so handeln. Gott hatte ihn gesandt, um diese Mission zu erfüllen. Seine Jünger und Jüngerinnen, die glauben, d.h. wir, sind in seine Nachfolge getreten und trachten danach, diese Botschaft in unserer sozialen Existenz und in unserer kirchlichen Gemeinschaft zum Klingen zu bringen.

AMEN

Die Predigt folgt dem Lukas Kommentar von François Bovon, einem Schweizer Exegeten und Freund der Jahre lang in Genf Professor war, und dann in Harvard/USA  .

 

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